Bundesrat lehnt Insolvenzrechtsreform ab

Bundesrat lehnt Insolvenzrechtsreform ab

Leutheusser-Schnarrenberger will Richter schulen und die Zahl der Gerichte reduzieren

 

Die Länder pochen dagegen auf „dezentrale Strukturen“.

Insolvenzrechtsexperten sprechen von Föderalismusposse

 

Quelle: WELT 19.04.2011, CARSTEN DIERIG, DÜSSELDORF

 

Die geplante Novelle des Insolvenzrechts sorgt derzeit für reichlich Ärger in Politik und Justiz. Über das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) will die Bundesregierung die Rettung von Pleitefirmen vereinfachen. Im Bundesrat aber wehren sich nun einige Bundesländer gegen den Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Zwar begrüßt die Länderkammer große Teile der geplanten Neuordnung. Gleichzeitig aber spricht sich der Bundesrat in einer Stellungnahme gegen die Reduzierung der Insolvenzgerichte von 191 auf 116 und darüber hinaus auch gegen die Fortbildung von Richtern und Rechtspflegern aus.

 

Man teile die Auffassung der Bundesregierung, dass der Erfolg eines Insolvenzverfahrens auch von der Fachkompetenz des Richters und der Rechtspfleger abhängt. „Dieser Umstand kann jedoch kein Anlass dafür sein, von den Insolvenzrichtern und Insolvenzrechtspflegern den Nachweis besonderer Fachkenntnisse zu verlangen“, schreiben die Ländervertreter in ihrer Stellungnahme, die der „Welt“ vorliegt. Die geplante Konzentration der Insolvenzgerichte wiederum hält der Bundesrat für wenig bürgerfreundlich. In den gefährdeten Gerichtsbezirken wird zudem darauf hingewiesen, dass bei einer Zentralisierung die Möglichkeit verloren geht, auf regionale Besonderheiten einzugehen. „Ich will, dass die dezentrale Struktur erhalten bleibt“, fordert daher Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP).

Mit seinen Amtskollegen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein gilt er als ärgster Widersacher der Reformpläne von Leutheusser-Schnarrenberger. Insolvenzrechtler zeigen sich entsetzt von den Ansichten im Bundesrat. „Die Bundesländer verharren im provinziellen und kleinkarierten Denken des 19. Jahrhunderts und schädigen so den Wirtschaftsstandort Deutschland“, schimpft Hans Haarmeyer. Der Vorsitzende der Gläubigerschutzvereinigung Deutschland (GSV) spricht von einer  Föderalismusposse und sieht ohne eine Professionalisierung der Insolvenzgerichte in den betroffenen Firmen Tausende Arbeitsplätze in Gefahr. Kritik kommt auch vom Bundesarbeitskreis der Insolvenzgerichte, einer Vereinigung von Richtern und Rechtspflegern in Insolvenzverfahren. „Derzeit haben viele Gerichte nicht genug Erfahrung, um Sanierungen kompetent zu begleiten“, sagt Verbandsvorstand Frank Frind. Dem Richter am Amtsgericht Hamburg zufolge begleiten derzeit lediglich 88 der bundesweit 191 Insolvenzgerichte mehr als ein Verfahren pro Woche. „Dort kann sich die notwendige Expertise zur Rettung von Unternehmen und Arbeitsplätzen gar nicht herausbilden“, sagt Haarmeyer. Frind sieht in zahlreichen Verfahren sogar ein Gefälle zwischen den Verwaltern und den Richtern beziehungsweise Rechtspflegern: „Die Insolvenzverwalter sind vielfach besser im Thema als ihre gesetzlich vorgesehenen Aufsichtsorgane“, berichtet Frind. Das sei für die Praxis eine Katastrophe. Weiterbildungen seien daher dringend nötig. Die Regierungskoalition gibt sich derweil zurückhaltend. Am 26. Mai wird der Gesetzentwurf im Bundestag diskutiert. Kompromissbereitschaft scheint aber vorhanden. Es sei vorstellbar, die Zuständigkeit für Firmeninsolvenzen zu konzentrieren, die Verantwortlichkeit für Verbraucherinsolvenzen aber bei den einzelnen Amtsgerichten zu belassen, heißt es aus Politikerkreisen.